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Das Leben im Regenwald

Nach der Begegnung mit ihrem neuen Freund wartete Nyala am darauffolgenden Morgen ganz ungeduldig auf Rimba. Die Bananen und Mangos schmeckten ihr nicht wie sonst und überhaupt schien an diesem Morgen die Zeit einfach nicht vergehen zu wollen.
Die Tierpflegerinnen öffneten das Gehege und holten Nyala für den täglichen Waldspaziergang ab. Doch selbst von Bayat und Safitri, mit denen sie sonst immer spielte, wollte Nyala dieses Mal nichts wissen.

Als sie auf ihren Lieblingsbaum geklettert war und nach Früchten Ausschau hielt, vernahm sie ein Rascheln. Im nächsten Augenblick sah sie ein kleines orangefarbenes Fellbündel auf sich zuklettern. Es war Rimba!

Zeichnung von Rimba und Nyala, dim zusammen in einem Baum hängen.

Illustration: Verena Peters

Nachdem sich die beiden begrüßt hatten, wollte Nyala wissen, wie es ist, wenn man die ganze Zeit im Regenwald lebt, so ganz ohne Zweibeiner.

Rimba musste nicht lange überlegen und schon erzählte er Nyala von seinem Leben. „Ich werde morgens in unserem Schlafnest von den ersten Sonnenstrahlen und vom Vogelgezwitscher geweckt. Nachdem meine Mama und ich uns gegenseitig intensiv das Fell gepflegt haben, begeben wir uns in den Baumkronen auf Futtersuche. Am liebsten fresse ich Durian-Früchte und Feigen. Aber ich mag auch Blattknospen und frische Blätter und gelegentlich ein paar Termitenlarven. Meine Mama hat mir beigebracht, welche Pflanzen und Früchte genießbar sind und worauf ich lieber verzichten sollte. Überhaupt weiß meine Mama viele Dinge. Von ihr hab ich gelernt, welche Pflanzen bei bestimmten Krankheiten helfen, wie man ein kuscheliges Schlafnest baut und wie man sich vor starkem Regen schützt.

Und weil das ständige Klettern und Fressen anstrengend ist, gibt es mittags immer ein Päuschen. Hierfür bauen wir uns ein neues Schlafnest, das wir anschließend wieder verlassen. Bis zum Abend verbringen wir unsere Zeit mit Fressen. Hin und wieder begegnen wir auch anderen Orang-Utans, aber die meiste Zeit sind wir alleine unterwegs.“

Zeichnung eines Orang-Utans im Regenwald.

Illustration: Marike Schreiber

„Und was ist mit deinem Papa?“, fragte Nyala. „Mein Papa ist ein richtig toller Typ“, antwortete Rimba. Er ist viel größer und schwerer als Mama, hat Backenwülste und einen riesigen Kehlsack. Wenn er sich durch die Äste schwingt, seine langen Fellhaare im Wind flattern und er ganz laut ruft, bekomme ich immer eine Gänsehaut. Wenn ich mal groß bin, möchte ich werden wie er.“ Seinen Papa sieht Rimba aber nur selten, denn der lebt nicht bei seiner Familie, sondern zieht alleine umher. In seinem Revier leben noch andere Weibchen, mit denen er Kinder hat.
Alles in allem wäre das Leben im Regenwald sehr entspannt, wenn nicht immer mehr Bäume von den Menschen zerstört würden.

Es wird immer schwieriger, ausreichend Futter und sichere Schlafplätze zu finden. Immer öfter werden die großen Urwaldbäume durch Palmen ersetzt. Auf den neuen Plantagen sind Orang-Utans nicht erwünscht und von den Früchten der Palmen können sie auch nicht leben.

„Nyala!“ schallte es plötzlich durch den Wald. Die beiden Orang-Utan-Kinder erschraken, so vertieft waren sie in ihr Gespräch. Nyala wusste, dass sie mit ihren Pflegern in die Auffangstation zurückkehren musste, denn bald würde die Nacht hereinbrechen. Auch Rimba musste sich beeilen, um vor Einbruch der Dunkelheit bei seiner Mutter zu sein. „Sehen wir uns wieder?“, fragte Nyala. „Klar.“ antwortete Rimba und verschwand in den Baumkronen.

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